Beschreibung
Der in Wien geborene Fritz Kreisler (1875–1962) war der wohl einflussreichste Violinkünstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinem warmen unverwechselbaren Geigenton hat der als Wunderkind in Paris ausgebildete, dann in Berlin und New York lebende Künstler Generationen von Musikliebhabern in seinen Bann gezogen.
Fritz Kreisler hat zahlreiche Komponisten der Moderne inspiriert: Edward Elgar und Felix Weingartner widmeten ihm Violinkonzerte; Arnold Schönberg plante, Werke für ihn zu schreiben. Zugleich war ein Massenpublikum so verzaubert von ihm, dass er sozusagen zu einem internationalen Popstar der Musikkultur vor dem Zweiten Weltkrieg wurde. Erst die von ihren technischen Errungenschaften überzeugten 1950er Jahre ließen Kreisler allmählich altmodisch erscheinen.
Seine ausdrucksstarke, oft improvisiert wirkende Spielweise und Kompositionen wie "Liebesleid", "Liebesfreud" oder "Caprice viennois" brachten dem Geiger Weltruhm, aber auch den Ruf eines Salonkünstlers ein. Seine Tonaufnahmen überzeugen allerdings bis heute durch ihre zugewandte, körperliche Vitalität, die in erstaunlicher Vielfältigkeit Gestalt annimmt. Dabei scheint es, als kämen durch Kreislers Musik sämtliche historische Schulen und Stilarten miteinander ins Gespräch: in einem lebendigen Theater der Erinnerung.
Die Reihe "SOLO – Porträts und Profile" lädt dazu ein, die Künstlerinnen und Künstler der "klassischen" Musik kennenzulernen. Erstmals auf dem deutschsprachigen Buchmarkt stehen hier internationale Interpretinnen und Interpreten des 20. und 21. Jahrhunderts im Mittelpunkt. Jedes Buch porträtiert in gut zugänglicher und kompakter Form eine Musiker-Persönlichkeit: Dirigentinnen und Dirigenten, Solistinnen und Solisten, Sängerinnen und Sänger. Biografie und Karriere werden ebenso vorgestellt wie wesentliche Merkmale des individuellen Musizierens. Eine Einordnung des künstlerischen Profils rundet die fundierten Darstellungen ab.
Die Autorinnen und Autoren der Reihe sind auf ihrem jeweiligen Gebiet ausgewiesene Fachleute und kommen aus Forschung und Praxis.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Ein Leben als Kunstwerk
Erzählen – Erinnern
2 Zusammengesetzte Tradition (1875–1905)
Möglichkeitssinn – Erfundene Biografie – Wunderkind – Bildung – Orientierungsversuche – Entstehung eines Stils – Kadenzen
3 "Genauigkeit und Seele" (1905–1914)
Eigenständigkeit – Klassische Manuskripte – Neue Meisterschaft – Strenge und Freiheit – Musik aus "Alt-Wien"? – Beethoven
4 Drama und Glamour (1914–1930)
Wirklichkeitszerfall – Medienkrieg – Kaiserhymne – Mäzen und Star – Film und Schallplatte – Technik: Mozart
5 Der innere Jude (1930–1942)
Jüdische Identität? – Wurzeln – "Sissys" Politik – Abgrenzungsprobleme – Angriffe – "Liebesleid" – Ein Mann mit Eigenschaften?
6 Die Evidenz des Unwahrscheinlichen (1942–1962)
Erscheinung – Brahms – Radio – Mendelssohn und andere(s) – "Wolle und Seide und Baumwolle und Samt"
Zur Diskografie
Literaturhinweise
Zeittafel
Bildnachweis
Personenregister
Rezensionen
"Das Buch legt offen, wie und warum die Figur Fritz Kreisler so ins Schillern gekommen ist. Matthias Schmidt räumt mit einigen Legenden über das Leben von Fritz Kreisler, die man bisher für bare Münze genommen hat, auf – ziemlich gründlich sogar. Wirklich lesenswert!"
SRF 2 Kultur, "Musikmagazin", 4.6.2022
"Ein lohnendes Buch, mit viel Wissen über den großen Geiger verfasst. Es bietet kluge, gut nachvollziehbare Analysen von Kreislers Kompositions- und Interpretationsstil (...) und widmet sich bestimmten Themen wie Kreislers jüdischer Identität oder dem Einfluss des 'Wienerischen' in seiner Musik."
Oliver Wurl, info-netz-musik, 23.9.2022
"Kenntnisreiche Biografie"
Guido Fischer, RONDO, 5/2022
"Kreislers seelenvolles Geigenspiel erscheint uns heute wie das Echo einer längst vergangenen Vorkriegsepoche. Der Band blickt hinter die Fassade des großen Selbstinszenierers, der seine jüdische Herkunft verschleierte, des 'Alt-Wiener' Popstars, der sich auch in den Kreisen um Schönberg und Busoni produktiv bewegte – ein lesenswertes Bändchen über ein vielseitig schillerndes Leben."
neue musikzeitung – nmz, 7/2023
"Neben der Klärung bisheriger biografischer Unschärfen besticht Schmidt durch seine Versuche, dem Zauber von Kreislers Violinspiel nahe zu kommen. Ob Trillerlänge und -intensität, ob Vibrato- oder Bogendruckvarianten, Schmidt lauscht ganz genau in diese tatsächlich eindrucksvolle Aufnahme hinein, um das Geheimnis der Kreislerschen Wirkung zu lüften. Und am Ende entsteht ein eindrucksvoll differenziertes Bild eines der bedeutendsten Musiker des 20. Jahrhunderts."
Harald Eggebrecht, Süddeutsche Zeitung, 25.10.2022