Beschreibung
Jüngst war sie wieder da: die "Krise des Lesens". Doch es gibt sie noch, die Zonen, in denen Literatur auch gegenwärtig massenhaft gelesen und enthusiastisch diskutiert wird, in denen Popularität und Konsum keine Schimpfwörter sind.
Die Nachrichten aus dem Literaturbetrieb scheinen dem guten alten Kulturpessimismus recht zu geben: Der Buchmarkt schrumpft, die Verlage stehen unter Druck, der stationäre Buchhandel kämpft ums Überleben und die Zeitfenster für die tägliche Lektüre werden in der Medienkonkurrenz immer kleiner. Für welche literarischen Bereiche und Lektürepraktiken aber gilt dies eigentlich? Der Sonderband zielt auf Bereiche der Gegenwartsliteratur, in denen weiterhin dicke Bücher verschlungen werden, immer noch astronomisch hohe Erstauflagen auf den Markt kommen und der Lesehunger unersättlich zu sein scheint. Die Beiträge erkunden, welche Werke besonders häufig bemerkt, gekauft, heruntergeladen, besprochen, weiterempfohlen werden. Die differenzierte Verständigung über den aktuellen Stand der literarischen Dinge soll nicht zuletzt Auskunft darüber geben, woran man sie überhaupt erkennen kann: die tatsächlich ›gelesene Literatur‹.
Inhaltsverzeichnis
- Steffen Martus / Carlos Spoerhase: Gelesene Literatur in der Gegenwart
Bestsellererwartungen
- Christian Adam: "Nach zwei Jahren spricht von diesem Buch kein Mensch mehr". Kurzer Ruhm und langes Leben zwischen Bestsellerliste und Longsellerdasein
- Caspar Hirschi: Große Männerbücher. Annäherungen an das historische "Crossover Book"
- Mark-Georg Dehrmann: "Auf nach Barcelona"! Dan Browns Leser und der Referenzeffekt
- Jürgen Kaube / Sandra Kegel: "Dem Nicht-Leser entgeht ja noch mehr als Proust". Gespräch mit Steffen Martus und Carlos Spoerhase
Literatur jenseits des Buches
- Philipp Böttcher: Gelesener Gesang. Lyrics im Zeichen des Medienwandels
- Claudia Stockinger: "Das All dort draußen zeigt uns, wer wir sind". Die Leseuniversen der Groschenhefte
- Charlotte Kurbjuhn: Zwischen Naturkunden und Nerd-Ecke. Gelesene Literatur in Graphic Novels
Digitale Leselust
- Ute Schneider: Bücher zeigen und Leseatmosphären inszenieren – vom Habitus enthusiastischer Leserinnen und Leser
- Erika Thomalla: Bücheremphase. Populäre Literaturkritik und Social Reading im Netz
- Stephan Porombka: Auf der Suche nach den neuen Bewegungsfiguren. Über das Lesen
im Netz
Agenten der Popularität
- Tobias Amslinger: Max Frischs Roman "Homo faber" in der Backlist des Suhrkamp Verlags – zur Geschichte eines Longsellers
- Alexander Nebrig: Aller Länder Leserschaft. Verlage zwischen internationaler Lizenzvergabe und Weltrechten
- Michael Schikowski: Leseexemplar. Bemerkungen zur sprechenden Literaturkritik im Buchhandel
- Christoph Jürgensen: Kino für Leser. Zur Inszenierung von Autorschaft in Buchtrailern
- Jens-Christian Rabe: Allgemeinplatzhirsche: Über Bestsellerkritik
Die ewige Jugend des Lesens
- Julia Benner: Kindheitslektüren. Von vorgelesener und vielgelesener Kinder- und Jugendliteratur
- Kai Kauffmann: Wissen für junge Leser? "Percy Jacksons" Mythologie
- Tilman Spreckelsen: Ein Blick in den Spiegel. Grimms Märchen als Inspiration für Cornelia Funke, Henning Ahrens und Karen Duve
Lesemoral der Gegenwart
- Jörg Döring: Der viel gelesene Redner. Navid Kermani und die Deutschen
- Julika Griem: Lebenszeit und Lesezeit. Konkurrierende Zeit-Regime am Beispiel von dicken Gegenwartsromanen
- Thomas Steinfeld: Die Kraft des Einen. David Foster Wallace, die Selbstoptimierungsindustrie und das Verhängnis der Kontingenz
- Notizen
Rezensionen
Zur Freude der die Zeitschrift analog und mit Bleistift lesenden Rezensentin forciert die Publikation von Steffen Marcus und Carlos Spoerhase praxeologische Herangehensweisen und beherzigt die im Aufsatz von Mark-Georg Dehrmann ausgerufene Maxime: Es geht nicht darum, "Lektüren 'gelesener Literatur' außerhalb der literarturwissenschaftlichen Institutionen mit deren Mitteln disziplinieren zu wollen; interessanter ist es, das Phänomen zu verstehen."
Claudia Dürr, Germanistik, 3/2019
Insgesamt eine interessante Zusammenstellung mit umfangreicher weiterführender Literatur bzw. Links, die sicherlich jedem Buchmenschen neue Erkenntnisse liefert. Daher nicht nur für Bibliotheksnutzer, sondern ebenso fürs Personal empfohlen!
Claudia Bußjäger, EKZ, 11.2.2019
[D]ie Lektüre ist der Mühe wert, oder im emphatischen Duktus der Buch-Bloggerszene, die viele der Beiträge beschäftigt, man kann daraus viel für sich mitnehmen.
Evelyne Polt-Heinzl, literaturhaus.at, 8.1.2029